Rückblick – die Geschichte der
Paralympischen Winterspiele
Eine Goldmedaille bei Olympia ist für Sportler mit nichts zu vergleichen. Sie ist der ultimative Lohn für vier Jahre harte Arbeit und der ultimative Beweis, der oder die Beste einer Disziplin zu sein.
Die Paralympics sind die Olympischen Spiele für Sportler mit Behinderung. Ihre Geschichte ist zwar jünger, doch der Stellenwert ist derselbe. Einmal bei den Paralympics dabei zu sein, einmal eine Medaille zu gewinnen, womöglich einmal in der Mitte des Siegerpodests zu stehen – diesen Traum teilen alle Athletinnen und Athleten.
1976
Örnsköldsvik, Schweden
Sechzehn Jahre nach den ersten Weltspielen der Gelähmten“ in Rom, also der Premiere der Paralympischen Sommerspiele, treffen sich im schwedischen Örnsköldsvik rund 250 Athleten aus 16 Nationen zu den ersten Winter-Paralympics. Sie messen sich eine Woche lang im Ski Alpin und im Skilanglauf. Die Bundesrepublik Deutschland holt 10x Gold, 12x Silber und 6x Bronze – das bedeutet Platz eins in der Nationenwertung. Die Langläuferin Dorothea Neuweiler freut sich über Doppel-Gold.
1980
Geilo, Norwegen
Der Gastgeber Norwegen präsentiert sich bei den zweiten Winter-Paralympics erst bestens organisiert und dann siegeshungrig. Allein 23 Goldmedaillen gehen auf das Konto norwegischer Starter. Da kann keine Nation mithalten, schon gar nicht die Bundesrepublik Deutschland, die sich mit drei Siegen begnügen muss. Annemie Schneider gewinnt zwei Rennen, ihre Teamkollegin aus dem Team Ski Alpin, Sabine Barisch, eines.
1984
Innsbruck, Österreich
Im Januar 1984 begrüßt die Hauptstadt Tirols mehr als 400 Sportler aus 22 Nationen. Hinter der Organisation steht erstmals das International Coordination Committee of World Sports Organizations for the Disabled (ICC), Vorgänger des späteren Internationalen Paralympischen Komitees. Und wieder ist es der Gastgeber, der am häufigsten jubeln darf. Die Teilnehmer Österreichs holen 70 Medaillen, darunter 34 goldene. Die erfolgreichste Athletin der Spiele aber ist eine Deutsche: die alpine Skirennläuferin Reinhild Möller holt dreimal Gold und einmal Silber.
1988
Innsbruck, Österreich
Olympia und Paralympics am gleichen Ort auszutragen, um den Sportlern mit Behinderung mehr Aufmerksamkeit zu bescheren und Wertschätzung entgegenzubringen – dieses Ziel wollen die Organisatoren der Winter-Paralympics 1988 verwirklichen. Gastgeber Calgary winkt aus finanziellen Gründen aber ab. Innsbruck springt ein. Unter den Augen Königin Silvias von Schweden räumen vor allem norwegische Sportler ab. Deutschland wird Dritter der Nationenwertung. Erstmals sind im Ski Alpin und Skilanglauf Sitzskiathleten am Start, auch Biathlon feiert seine Premiere.
1992
Tignes-Albertville, Frankreich
Was vier Jahre zuvor scheiterte, klappt 1992. Olympia und die Paralympics finden am gleichen Ort statt. Mehr als 300 Journalisten verfolgen die Auftritte der 365 Athleten und Athletinnen aus 24 Ländern, auch das Fernsehen berichtet. Der französische Staatspräsident Francois Mitterand eröffnet die Spiele. Das wiedervereinigte Deutschland freut sich über Rang zwei in der Nationenwertung hinter den Vereinigten Staaten von Amerika. Herausragende Leistungen zeigen Reinhild Möller (4x Gold), Gerd Schönfelder und Frank Höfle (je 3x Gold). Die sehbehinderten Biathleten präsentieren sich in einem Demonstrationswettbewerb.
1994
Lillehammer, Norwegen
„No limits“, also keine Grenzen, lautet das Motto der sechsten Paralympischen Winterspiele in Lillehammer. Das gilt vor allem für die Norwegerin Ragnhild Myklebust, die im Para Langlauf, Para Biathlon und beim Eis-Sledge-Lauf fünfmal Gold, zweimal Silber und zweimal Bronze gewinnt. Auch in der Nationenwertung sind die Gastgeber ganz vorne – vor Deutschland, das sich ebenfalls stark präsentiert. Einzig im neu eingeführten Sledge-Eishockey gibt es bei den Norwegern Tränen. Sie verlieren im Finale gegen Schweden mit 0:1 im Sudden Death.
1998
Nagano, Japan
Erstmals in ihrer Geschichte finden die Paralympischen Winterspiele nicht in Europa statt. Und das japanische Nagano feiert die 571 Behindertensportler aus 32 Nationen. Mehr als 150.000 Zuschauer zählen die Organisatoren an den sieben Sportstätten und bei Eröffnungs- und Abschlussfeier. Das deutsche Team gewinnt die meisten Medaillen, insgesamt 44. Im Biathlon holen Willi Brem, Frank Höfle, Alexander Schwarz, Thomas Oelsner (Bild unten), Michael Weymann und Verena Bentele Gold. Zwei weitere Siegertrophäen holen Höfle und Oelsner im Langlauf, auch die 3x2,5 Sitzski-Staffel um Klaus Kleiser, Michael Weymann und Bruno Zimmermann bejubelt einen Sieg.
2002
Salt Lake City, USA
Eric Weihenmeyer, der erste blinde Mensch, der den Mount Everest bestiegen hat, trägt die paralympische Flagge ins mit 40.000 Zuschauern gefüllte Rice-Eccles Stadion – so beginnen die ersten Paralympics auf nordamerikanischem Boden mit 416 Athleten und Athletinnen aus 36 Nationen, darunter: Andorra, Chile und erstmals die Volksrepublik China. Die Skirennfahrer Gerd Schönfelder und Martin Braxenthaler dominieren mit je vier Goldmedaillen die Alpin-Wettbewerbe, das Team Ski Nordisch gewinnt neun Wettbewerbe. Josef Giesen (Bild unten) siegt im Biathlon. Das deutsche Gesamtteam wird Erster in der Nationenwertung.
2006
Turin, Italien
Rollstuhlcurling feiert seine Premiere bei den Paralympics 2006 in Turin, bei deren Eröffnungsfeier die inspirierende Rede des fünf Jahre zuvor am Lausitzring verunglückten Automobilrennfahrer Alex Zanardi der emotionale Höhepunkt ist. 38 Länder, darunter erstmals Mexiko, schicken 474 Sportler und Sportlerinnen ins Rennen, aus Deutschland reisen 35 an, darunter neun im Ski Nordisch (siehe Teamfoto). Die einzige Frau unter ihnen, Verena Bentele, gewinnt an der Seite ihres Guides Franz Lankes zweimal Gold und einmal Bronze. In der Nationenwertung landet Schwarz-Rot-Gold hinter Russland auf Platz zwei.
2010
Vancouver, Kanada
Offizieller Rückblick des Deutschen Behindertensportverbands
Fünf Rennen, fünf Goldmedaillen – Verena Bentele (Foto Picture Alliance) kürt sich begleitet von ihrem Guide Thomas Friedrich zur Königin von Vancouver. Überhaupt sind es sehr erfolgreiche Spiele für die Deutschen, die in der Wertung aller 44 Nationen (mit insgesamt 502 Athletinnen und Athleten) ganz vorne stehen. Die deutschen Skirennfahrer Gerd Schönfelder und Martin Braxenthaler präsentieren sich erneut stark, die Winter-Paralympics-Debütantin Andrea Eskau gewinnt einmal Silber und einmal Bronze. Auch Josef Gießen nimmt im Biathlon über 12,5 Kilometer eine emotional gefeierte Bronze-Medaille mit nach Hause. Das kanadische Publikum ist von den Spielen begeistert. Infolge der Paralympics wächst das Interesse am Behindertensport in British Columbia merklich.
2014
Sotschi, Russland
Offizieller Rückblick des Deutschen Behindertensportverbands
Überschattet von weltpolitischen Spannungen durch die Krimkrise wird die Stadt am Schwarzen Meer Gastgeber der elften paralympischen Winterspiele, die zur Anna-Schaffelhuber-Show werden. Die spätere Weltbehindertensportlerin holt im Ski Alpin sitzend fünfmal Gold. Andrea Eskau holt jeweils eine Gold-Medaille im Langlauf und im Biathlon, Anja Wicker (Foto Allianz) gewinnt sensationell das Biathlon-Rennen über 10 Kilometer und schnappt sich drei Tage später über die 12,5 Kilometer auch noch Silber. Erstmals ist Snowboard Teil des offiziellen Programms, 316.200 Tickets werden verkauft – ein neuer Zuschauerrekord.
2018
PyeongChang, Südkorea
Offizieller Rückblick des Deutschen Behindertensportverbands
Acht Jahre nach Gerd Schönfelder und Martin Braxenthaler gewinnt wieder ein deutscher Mann eine Goldmedaille bei Winter-Paralympics. Martin Fleig siegt im Biathlon über 15 Kilometer und schreit im Ziel sein Glück heraus. Es ist der emotionale Höhepunkt der feierlichen Spiele im südkoreanischen PyeongChang, das zuvor mehrfach knapp bei der Wahl zum Austragungsort gescheitert war. Andrea Eskau wird mit zweimal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze (in der Mixed-Staffel mit Alexander Ehler und Steffen Lehmker, Bild unten) erfolgreichste deutsche Teilnehmerin, Clara Klug und ihr Guide Martin Härtl holen zweimal Bronze.
2022
Peking, China
Offizieller Rückblick des Deutschen Behindertensportverbands
Die Corona-Pandemie und der Kriege in der Ukraine belasten die XIII. Winter-Paralympics. Zwei Teenager sorgen sportlich für positivere Schlagzahlen. Linn Kazmaier (15) und Leonie Walter (18 - im Bild unten links und rechts neben der Ukrainerin Oksana Shyshkova und ihrem Guide Andriy Marchenko) holen mit ihren Begleitläufern Florian Baumann und Pirmin Strecker allein neun von 13 deutschen Medaillen im Para Biathlon und Para Skilanglauf, beide krönen sich einmal zur Paralympicssiegerin. Marco Maier gewinnt sensationell Doppel-Silber, der Routinier Martin Fleig zum Karriereende einmal Silber, Anja Wicker holt einmal Bronze.